Sieben Monate Praktikum in Australien
Darling Harbour in Sydney
Die Hauptstadt von New South Wales hat viele schöne Seiten. Eine der schönsten, durften wir an einem herrlichen Tag im Oktober 1999 kennen lernen. Herrlicher Tag im Oktober? Naja, in Australien sind die Jahreszeiten ja umgekehrt. Immerhin ist da Winter, wenn bei uns Sommer ist – und natürlich auch umgekehrt. Als ich im August dort ankam, ging gerade der Winter zu Ende. Mit recht kühlen Tagen, aber auch welchen, die bis zu 25 Grad Wärme aufgewiesen haben. Und der Frühling stand vor der Tür.
Es gab viel zu tun, denn die Firma war in ernsthaften Schwierigkeiten, als ich dort ankam. Wir arbeiteten wie die Wilden, weil wir leider das Problem hatten, dass viele unserer Produkte erst aus Übersee herangeschafft werden mussten. Aus Deutschland, aus Israel, auf jeden Fall über viele Seemeilen. Und in manchem Hafen gab es dann noch zusätzliche Probleme. Immerhin wird alles genau überprüft, was ins Land gebracht wird, und deswegen müssen die Waren auch erst mal freigegeben werden.
Deswegen waren unsere Kunden auch alles andere als erfreut in diesen ersten hektischen Tagen. Denn das alte Management hatte nach der Devise: „Nach mir die Sintflut“ gewirtschaftet und alles ausgehen lassen, was da war. Nachschub war so erst in einigen Wochen zu erwarten, höchstens man hätte ein Flugzeug anmieten wollen. Das war natürlich nicht so ohne weiteres möglich, weil wir die Kosten nie refinanziert gekriegt hätten. Und zu allem Überfluss, waren viele der Informationen in einem alten System abgelegt, denn während des Jahres 1999, hatte die Firma in Australien das ERP-System gewechselt und nutzte nun R&H. Und viele der Daten aus der ersten Hälfte des Jahres, lagen nur in Excel vor.
Da kam dann oft ich ins Spiel, denn da ich das System gut verstand und auch sprachlich in dem aus Deutschland stammenden System gut zurecht kam, überließ man es mir, die Kunden zu kategorisieren. Eine meiner Aufgaben in dem spannenden Praktikum.
Aber ohne teilweise bis spät in die Nacht zu arbeiten, ging es oft nicht. Kunden mussten beruhigt werden, teilweise hingehalten und vertröstet, aber wir konnten die Teile natürlich auch nicht herzaubern. Und schon gar nicht konnten wir uns hinstellen und dem alten Management die Schuld an allem geben, das wäre nun sehr unprofessionell gewesen. Deswegen versuchten wir auch alles, um Teile so schnell wie möglich heranzuschaffen und bevor Kunden absprangen, haben wir natürlich auch lieber ein Flugzeug gechartert.
Am Wochenende war aber normalerweise Ruhe und etwas Zeit, sich die Gegend anzuschauen. Nur an einem im Oktober nicht, da mussten wir alle ran und als wir uns dann lange genug verausgabt hatten, meinte der Managing Director der Niederlassung nur: „Ich hab Hunger“.
Er klemmte sich die ganze Belegschaft unter die Arme (war neben mir ja sowieso nur noch der Sales-Manager, ein IT- und Quality-Experte, eine Finanz-Verantwortliche und eine Dame am Empfang) und fuhr mit uns ins Zentrum. In Darling Harbour suchten wir uns ein nettes Restaurant namens „Nicks Seafood-Restaurant“. Dort setzten wir uns auf die Terrasse, was zwar etwas kühl war, aber immerhin dank gasbetriebener Heizstrahler sehr erträglich wurde. Und da ließ er dann die Köstlichkeiten auffahren. Auf Kosten der eigenen Kreditkarte. Und ich glaube, es war wirklich die eigene Kreditkarte, und nicht etwa die der Firma, die er dafür hinblätterte.
So kam ich in den Genuss, eine riesige Platte voller köstlich frischer Meeresfrüchte vor uns stehen zu haben, meinen ersten Hummer zu probieren und auch mal eine Auster zu testen. War mir persönlich viel zu salzig, um ehrlich zu sein.
Und so ließen wir den herrlichen Samstag ausklingen, ließen uns die Meeresluft um die Nase wehen, genossen die köstlichen Speisen und Getränke und redeten über Gott und die Welt. Und ich lernte an diesem Nachmittag eine Menge der australischen Spezialausdrücke kennen, die man mir da in geselliger Runde beibrachte.
Kurze Zeit darauf, erhielten wir dann auch noch Zuwachs. Ein zweiter Praktikant aus Deutschland, wurde eingeflogen, der im Controlling mitarbeitete, das in der Zwischenzeit ein aus der Schweiz stammender Spezialist für Controlling übernommen hatte. Langsam brachten wir Ordnung in das Chaos, das in der Firma herrschte, und leiteten ein wesentlich erfolgreicheres Jahr 2000 in die Wege.
Aber den Nachmittag auf der Terrasse von Nick’s Seafood-Restaurant, habe ich bis heute nicht vergessen. Genauso wenig wie die sonstigen Sehenswürdigkeiten in Darling Harbour, egal ob Monorail, IMAX 3D Kino oder Sydney City Aquarium, die alle nicht weit von diesem Restaurant entfernt lagen.